Hallo Freunde der flitzenden Flunder,
nachdem ich nun schon seit Anfang 2017
elektrisch unterwegs bin mit diversen Marken (Tesla, Polestar, MG) und dieses Thema irgendwie in allen einschlägigen Foren früher oder später auftaucht, dachte ich mir, ich beglücke euch auch mal mit meinen Erfahrungen. Einigen wird das Thema neu sein, besonders wenn sie noch nicht so lange elektrisch unterwegs sind, andere wird es verständlicherweise bei einem erst kürzlich auf dem Markt erschienenen Elektroauto (noch) nicht interessieren. Aber ich werfe das Thema Akku-Kalibrierung jetzt trotzdem mal in die Runde, sozusagen prophylaktisch. ![]()
Über den Zeitraum kann man diskutieren. Manche machen das alle paar Monate, manche nie, das geht üblicherweise auch meist gut, ja nach Fahrprofil… Moderne Batteriemanagementsysteme (BMS) machen inzwischen auch viel selbständig im Hintergrund. Hier dennoch Infos zur Kalibrierung des BMS.
Das BMS berechnet die Reichweite, den Batteriestand und die Kapazität. Das ist keine direkte Messung z.B. der Kapazität, sondern eine Berechnung anhand von gemessenen „Randparametern“. Im Laufe der Zeit kann das Ergebnis dieser Berechnungen ungenau werden aufgrund von Drift oder Ungleichgewichten, die u.a. durch die Verschiebung einzelner Zellspannungen innerhalb der Batterie verursacht werden.
Auch ist jede Messung für sich z.B. der entnommen Energiemenge immer mit kleinen Fehlern behaftet, die sich über Jahre und hunderte von Zyklen aufsummieren. Zum Vergleich: Bei einem Verbrenner misst ein Schwimmer den Tankinhalt, bei einem BEV wäre das Verfahren so, als würde der Verbrenner erst mal wissen, wie groß der Tank ursprünglich ist und die verbleibende Restmenge an Benzin anhand von Verbrauchsmessungen jeder einzelnen Fahrt ermitteln. Klar, dass das nach einigen Jahren nicht mehr zu 100 % stimmen kann – zudem der „Tank“ bei BEV im Laufe der Zeit auch gerne mal um ein paar Prozent „schrumpft“, und das auch noch unterschiedlich stark je nach verbautem Akku, Umwelt, Nutzer und dessen Fahrprofil.
Endresultat kann sein, dass beispielsweise 4 % SoC angezeigt werden, dieser aber tatsächlich 0 % beträgt. Oder es werden umgekehrt 0 % angezeigt, also 0 km Restreichweite, aber in Wahrheit sind noch 5 % im Akku, man käme also noch ein paar 10 km weit (=verminderte angezeigte Reichweite).
Bei älteren Akkus kommt aufgrund eventueller Unterschiede in der Zellspannung noch dazu, dass die Zelle mit der niedrigsten Spannung den Akku terminiert. Das führt dann dazu, wenn man Pech hat, wie eine Bekannte von mir, dass man bei einstelligem % SoC auf der Autobahn bergauf „mal kurz draufdrückt, um die die paar km zum nächsten Lader flott zurückzulegen“ sich das Auto abschaltet, weil die Spannung einer Zelle unter den niedrigsten erlaubten Schwellwert sackt und das Auto denkt, der Akku ist jetzt schlagartig leer
bzw. es muss den Akku vor Tiefentladung schützen . Im konkreten (aber nicht einmaligen) Fall betraf das einen 10 Jahre alter Tesla mit sehr hoher Laufleistung. Es würde mich aber wundern, wenn das Verhalten grundsätzlich bei allen älteren BEV nicht auch genauso aufträte. ![]()
Wenn man einen der folgenden Punkte feststellt, ist das ein Hinweis darauf, dass das BMS möglicherweise kalibriert werden sollte:
• Der Batteriestand sinkt oder steigt beim Parken plötzlich und unerwartet an
• Das Fahrzeug lädt über den festgelegten Grenzwert hinaus, oder erreicht nie 100 % SoC, hängt also beispielsweise bei 98% fest.
• Die angezeigte Reichweite bei 100 % Ladung ist deutlich geringer als zuvor
• Die maximale Reichweite nimmt mit der Zeit zu
Man kann wie folgt die BMS-Genauigkeit neu kalibrieren und die Batteriezellen neu ausbalancieren:
1. die Batterie unter 10% fallen lassen.
2. den Wagen mindestens eine Stunde lang mit diesem SoC stehen lassen.
3. den Akku (falls möglich langsam
an einer Schuko-Dose) auf 100 % aufladen und weiter laden, bis das Fahrzeug keine Energie mehr vom Ladegerät bezieht. Das kann eine Stunde oder länger dauern, nachdem 100% erreicht wurden.
Nachdem dieser Prozess abgeschlossen ist, werden die BMS-Berechnungen wieder genauer und damit ebenso die angezeigten Werte für Batteriestand, Rest-Reichweite, Kapazität und die maximale Reichweite.
Übrigens sind verschiedene Akkutypen sozusagen unterschiedlich „anfällig“ für ungenaue BMS-Anzeigen. Am empfindlichsten sind in dieser Hinsicht die ansonsten sehr robusten LFP-Akkus, weil dort der Spannungs-Unterschied zwischen voller und leerer Akku-Zelle besonders klein ist.
Worauf ich hinaus will: Am Anfang werden einige feststellen, mit 0 % SoC durchaus noch ein paar 10 km fahren zu können, diese Reserve könnte in ein paar Jahren bei gleichem angezeigtem SoC evtl. nicht mehr da sein, oder mit Pech ist sogar schon bei 2 oder 3 % SoC faktisch mal Schluss
. Ab und zu Kalibrieren vermeidet zumindest Letzteres. Ich habe das bei meinem letzten BEV in knapp 8 Jahren und 160.000 km insgesamt 3- oder 4-mal gemacht. Weiterer angenehmer Nebeneffekt ist, dass man der Reichweiten-Berechnung (noch besser) glauben kann und daher die tatsächliche Akkudegradation realistisch sieht, da man vom BMS weder nach oben noch nach unten in die Irre
geführt wird.
HTH.